Das zweite Leben

Kapitel 1 – Romanze

 

Ich putzte gerade meine Harley als ich ein Schnurren hörte. Natürlich erkannte ich die Maschine an ihrem Klang. Ich drehte mich um und grinste. Phil stellte sein Bike neben meiner vor die Garage ab. „Hey.“, grüßte er und nahm mich in den Arm um mir auf die Schulter zu klopfen. Ich tat es ihm gleich. „Bleibst du heute hier?“, flüsterte ich sehnsüchtig. Er nickte an meine Schulter und ließ mich los. „Stellen wir die Babys in die Garage.“ Phil folgte mir.

 

Mein Haus inklusive breiter Doppelgarage teilte ich mit meiner Schwester. Samantha arbeitete als Stewardess und war so gut wie nie Zuhause. Neben meinem schwarzen Dodge Charger stand ihr Mustang. Ich streichelte lächelnd über das gelbe Wildpferd mit den schwarzen Rallye-Streifen. „Wann kommt Sam zurück?“ „Nächste Woche. Sie müsste in Australien sein.“ „Deine Schwester hat’s gut.“, lächelte Phillip und umarmte mich von hinten. „Mir wäre es lieber, wenn deine Frau diesen Beruf hätte.“ Er seufzte hinter mir. „Hör auf das Thema zu wechseln.“ Ich sagte nichts. Stattdessen zog ich ihn aus der Garage und rein ins Haus. Unsere Eltern hatten das Haus am Stadtrand gebaut bevor so ein Trottel meinte ihr Auto von der Straße fegen. Der Kerl kann sich auf was gefasst machen, wenn er aus dem Knast kommt! Dieser besoffene Volltrottel…

 

„Marc? An was denkst du gerade?“ „Hm? Ach an nichts Bestimmtes.“ Ich versuchte den finsteren Gedanken zu überlächeln. „Ja, klar. Und ich lasse mich morgen scheiden.“ „Was? Wirklich?“ Phil war kurz davor mich auszulachen. „Danke!“, knurrte ich wütend und schob meine Hoffnung zurück in Ablage P. Statt sich zu entschuldigen, ging er in die Küche und machte sich seelenruhig einen Kaffee. Ich hätte ihm eine reinhauen können! Doch wenn ich ihn da so stehen sehe. Die passgenaue Lederhose, die dunkle Jacke mit der bissigen, fauchenden Ratte auf dem Rücken und dem Schriftzug unserer Clubs, des Rats MC… Verdammt! Da konnte ich nicht einmal mehr im Ansatz wütend sein…

 

„Weiß sie wo du steckst?“ Phil schüttelte den Kopf. „Amelie denkt ich bin im Club und feiere mit den Anderen.“ Amelie. Wenn ich ihren Namen bloß hörte! Ich hasste diese Frau so abgrundtief. Dabei traf sie nicht einmal einen Hauch von Schuld. Wenn Amelie wüsste, dass ich ihren Mann liebte, würde sie mich vierteilen lassen! Von den Jungs im Club ganz abgesehen!

 

Als meine Eltern vor zwanzig Jahren meinten am Rand einer Kleinstadt in der Nähe von Berlin zu bauen, waren Sam und ich verdammt sauer gewesen. Wir sind beide in den Staaten geboren. Unsere Mutter war der Meinung, in Deutschland würden wir friedlicher aufzuwachsen. Mit dreizehn in ein anderes Land zu ziehen ist nicht gerade der Burner. Im Gegensatz zu mir hat meine zwei Jahre jüngere Schwester schnell neue Freunde gefunden. Wir hatten beide kein Sprachproblem, weil Mum uns zweisprachig erzogen hat. Irgendwie blieb ich aber immer der unnahbare Neue. Keine Ahnung was ich falsch gemacht habe.

 

Meinen neuen festen Freundeskreis fand ich dann mit achtzehn. Den Rats MC. Sie waren nach meinem Geschmack. Frech, rebellisch und frei. Ein paar Jahre später habe ich Phil kennengelernt, der mit seiner Frau zurück in die Stadt gezogen war. Seine Position war der Road Captain. Damit war er für das Benehmen der Member auf der Straße und Organisator für Ausfahrten sowie interne Treffen zuständig. Ich dagegen habe keine genau definierte Aufgabe. Meistens dekoriere ich Motorhauben oder Tanks von Bikes mit aufwendigen Lackierungen. Sozusagen der Cheflackierer des Rats MC, was nebenbei auch mein Beruf ist.

 

„Wo schaust du wieder hin?“, riss mich Phil aus meinen Gedanken. Habe ich erwähnt wie sexy er in den Motorradboots aussieht? Die trägt er, nebenbei erwähnt, erst seit er sich im Kampfsporttraining seine Achillessehne überreizt hat. Trotzdem. Ich könnte schmelzen…

 

Mit zwei Tassen in der Hand kam er auf mich zu. Diese breiten Schultern, die dunkle Igelfrisur und diese schokobraunen Augen. Phil lächelte und drückte mir eine Kaffeetasse in die Hand. „Hör auf zu sabbern und trink deinen Kaffee.“ Beschämt starrte ich in die Tasse. Wieso merkte er es auch immer! „Weil du zu oft laut denkst, mein kleiner Teufel.“, murmelte Phil und setzte sich an den Esstisch. Darauf hätte ich jetzt gerne meinen Kopf fallen lassen. Stattdessen setzte ich mich neben Phil und starrte ihn aus dem Augenwinkel an.

 

***

 

Wirklich unglaublich wie Marc sich verhielt, wenn sie alleine waren. Vor den Jungs markierte der Halbamerikaner stets den Alpha. Sein Aussehen passte perfekt. Dunkle, fast schwarze Augen dazu schwarze schulterlange Haar. Sein Muskelwerk ließ Channing Tatum neidisch danebenstehen. Und zum Bedauern der Damenwelt gehörte dieses Prachtstück ihm. Ihm ganz alleine. Also. Solange bis Phils Frau davon Wind bekam und den MC auf sie beide hetzten würde. Amelie ist immerhin die kleine Schwester von Ben, dem Präsidenten des Rats MC. Wenn die beiden sonst mäßig miteinander kommunizierten, brachte seine Schwester Unterstützung, war er sofort zur Stelle.

 

Marc tat immer noch so als wäre der Kaffee megainteressant. Wohl nicht interessanter als Phil, denn die wunderschönen Augen seines Teufels verirrten sich alle paar Sekunden zu ihm. Es war einfach zu süß.

 

„Du hast nicht mit ihr gesprochen, richtig?“ Er riss Phil total aus seinem kleinen Tagtraum. „Nein.“, antwortet er ehrlich, „Was soll ich denn sagen?“ Hoffnungslos zuckte Marc mit den Schultern. Phil hatte ja vorgehabt mit Amelie zu reden aber dann ist Ben auf einmal aufgetaucht und er hatte geschwiegen.

 

„Denkst du nicht, es ist schlimmer für deine Frau, wenn es rauskommt? Wenn sie Ben fragt und du bist nicht da. Was denkst du passiert dann?!“ Der Vorwurf war kaum zu überhören. „In den letzten zwei Jahren ist nichts passiert. Wieso dann jetzt?“ „Du wirst unvorsichtig. Amelie ist nicht dumm. Sie weiß sicher längst, dass was im Busch ist.“ Jetzt wurde Phil hellhörig. Marc nahm nie, wirklich niemals, den Namen dieser Frau in den Mund. „Hast du irgendein Gerücht gehört?“ Er schüttelte den Kopf. „Soweit wird es hoffentlich nicht kommen.“, murmelte er, trank den Kaffee aus und ging zum Kühlschrank. Nach kurzer Inspektion zauberte er zwei Bierflaschen heraus. Geöffnete landeten die grünen Flaschen auf dem Tisch. „Sollte es doch so weit kommen, dann bleib unbedingt bei deiner Frau.“, sagte er plötzlich ohne Vorwarnung. Schockiert starrte Phil ihn an. „Habe ich kein Mitspracherecht?!“ „Doch. Sicher. Wenn du dich mit Ben anlegen willst. Als nächstes lässt sich deine Frau sitzen und kassiert das Haus. Und als ob das nicht genug wäre, wird uns der komplette MC jagen.“ Im Prinzip hatte Marc recht. Phil hatte mehr zu verlieren. Er äußerte sich nicht weiter zu diesem Thema – ausgenommen seinen Schlusssatz, der fast schon zum Standard geworden war. „Niemand wird uns erwischen, Marc. Ich werde wieder vorsichtiger sein, versprochen.“ Sehr überzeugt wirkte die Miene seines Freundes nicht.

 

***

 

Wenn Phil wüsste, wie seine Frau mich das letzte Mal angesehen hatte als wir uns beim Einkauf zufällig über den Weg gelaufen waren. Heilige Scheiße! Ich dachte, der blonde Racheengel mit den blauen Augen kratzt mir gleich die Augen aus! Das hat sie natürlich nicht getan. Aber alleine wie sie mit mir geredet hat, so kühl und distanziert. Sonst war sie nicht so. Das war ungefähr vor einer Woche. Aber bis jetzt hat niemand etwas gesagt oder angedeutet. Ich wollte endlich lernen meinem Umfeld, ganz besonders Phillip, zu vertrauen – blind zu vertrauen.

 

Ich spürte eine freche Zunge an meinem Ohr. Praktisch unser Zeichen für vergiss den Rest der Welt und entspann dich. Das Witzige ist, dass es sogar auf Knopfdruck – oh pardon – auf Berührung funktionierte.

 

„Wohnzimmer?“, wisperte Phil in mein Ohr. Ich nickte und ließ mich wie in Trance ins nächste Zimmer führen. Hier gab es zwei Auswahlen: Der megaweiche Teppich vor der Coach oder das Bärenfellimitat vor dem Karmin. Phil führte mich zu letzterem und ich legte mich dort nieder. So flauschig. Ich könnte sofort einschlafen! Aber nicht mit Phillip. Er zog mir fast augenblicklich meine Jacke aus, unter der ich nichts trug. Halbnackt lag ich nun auf dem Bauch gedreht und wartet. Ich spürte eine Flüssigkeit auf meinem Rücken und roch den feinen Duft von Mandeln. Im gleichen Moment spürte ich seine sanften Hände auf meinem Rücken. Geschmeidig beirrte er meine Muskeln. Entspannt seufzte ich. Beinahe wäre ich tatsächlich eingeschlafen. Doch Phil kannte da ein paar ziemlich miese Tricks. Zum Beispiel den ganz leicht ins Ohr beißen Trick oder wenn das nichts half das gute alte in die Seite stechen. „Ich bin wach.“, murmelte ich gequält. „Nein. Du schlummerst.“, schnurrte Phil verführerisch in mein Ohr und massierte mit festem Druck weiter. Ich seufzte entspannt. Wieso kann es nicht immer so sein? Wieso musste ich mir einen verheirateten Mann anlachen, der offiziell hetero war? „Hör auf zu denken.“, wisperte Phil mit seiner verführerischen Stimme ins Ohr. Ich spürte einen Moment später sein Gewicht auf mir. Mit dem Oberkörper lag er auf meinem Rücken. Haut auf Haut. Dazwischen die feine Schicht aus Mandelöl. Ein paar Minuten lagen wir so da. Ich wäre wieder beinahe weggepennt. An meiner Schulter schlich sich eine sanfte aber bestimmende Hand an, die mich zwang mich umzudrehen. Jetzt schaute ich in diese wundervollen schokobraunen Augen, die mich anleuchteten, wie ein Kind an Weihnachten. Ich legte meine Hand auf seine Wange und strich mit dem Daumen darüber. Wortlos bückte er sich runter. Kurz bevor sich unsere Nase berührten, blieb er stehen. Wir lächelten uns verliebt an.

 

Bis ich einen Lachanfall bekam und damit der Romantik den Stecker zog. Dabei habe ich nur daran gedacht wie bescheuert es aussehen muss, wenn zwei massive Schränke sich so anhimmelten.

 

Phil zog eine beleidigte, fast schon wütende Schnute. Zurecht. Das wusste ich. „Du warst ja noch nie romantisch!“ Er ging von mir runter und schnappte sich sein T-Shirt. Angezogen verschwand in der Küche. Ach verdammt. Diesmal ist er wirklich sauer. Träge stand ich auf.

 

***

 

Wütend drückte Phil auf der Kaffeemaschine herum. In letzter Zeit lachte Marc ihn öfter für seine romantische Seite aus. Einfach unbegreiflich der Kerl und unverschämt. Aber genau das, zum Teufel, gefiel ihm so an seinem geheimen Liebhaber. Hinter ihm schlich Marc in die Küche. Phil dachte nicht im Traum daran sich umzudrehen. Dabei war ihre gemeinsame Zeit begrenzt und unendlich kostbar. Seufzend folgten seine Augen der braunen Flüssigkeit vom Ausguss bis zur Tasse. Die feine Bewegung neben sich ignorierte er gekonnt. „Sei nicht sauer, Philly.“, murmelte Marc und umarmte ihn von hinten. Seinen Kopf legte er auf der Schulter seines Liebsten ab. „Wollen wir Feuer im Karmin machen?“ „Es ist Sommer.“, gab Phil zu Bedenken. „Na und? Wäre romantischer.“ Bei diesen Worten verschluckte er sich beinahe am Kaffee und spuckte unwillkürlich einen Strahl zurück in die Tasse. Jetzt musste er lachen. „Das war ein Friedensangebot!“, maulte Marc und ging um die zentrale Kücheninsel herum. Vom Obstkorb nahm er sich einen Apfel und biss gespielt frustriert in das Obst. Phil lächelte über das Schauspiel. „Dein Ernst, ja? Du bist nach wie vor ein mieser Schauspieler!“ Ein schmales Grinsen zog sich über Marcs Gesicht. „Komisch. Es funktioniert bei jedem. Nur nicht bei dir.“ Die leere Tasse stellte Phil kurz in die Spülmaschine bevor er ebenfalls um die Kücheninsel ging. „Das mit dem Karmin klingt gut. Aber es wird bestimmt sau heiß hier drin.“ Marc grinste ihn an und zupfte an seinem Shirt. „Meiner persönlichen Meinung nach hast du sowieso zu viel an, Road Captain.“ Er ließ sich von Marc zurück ins Wohnzimmer führen. Der Kamin prasselte bereits. Deswegen hatte Marc solange gebracht. Es war bereits mollig warm. Stumm deutete Marc aufs Bärenfell. Phil verstand und setzte sich. Mit den Augen folgte er seinem kleinen Teufel aufmerksam.

 

Keinen Meter entfernt stand Marc und betrachtete ihn mit leuchtenden Augen. Er fuhr verführerisch langsam von seinen Schultern über seinen Oberkörper bis zu seinem Hosenbund. Dort stoppte er kurz bevor seine Hand in der Hose verschwand. Er stöhnte leise auf. Phil starrte ihn wie gebannt an. Er wusste genau, wenn er jetzt aufstand, würde Marc das Spiel beenden.

 

Sein Teufel ließ seine zweite Hand über sich wandern. Diese öffnete den obersten Knopf. Mit einem frechen Blick hielt er inne. Phil konnte kaum glauben, dass dieser Frechdachs nächsten Monat fünfunddreißig werden sollte. „Soll ich näherkommen?“ Sofort nickte Phil. „Hände nach hinten.“, forderte der Teufel in Person. Ohne Wiederworte fügte sich der Gast des Hauses. Marc trat ein paar Zentimeter näher und öffnete den nächsten Knopf. Nach ein paar Minischritten und dem letzten Kopf ließ er die dunkle Jeans fallen. Phil musste an sich halten um nicht zu lachen. Sein Freund stand in einer quietsch pinken Boxershort vor ihm. Der bekannte Spruch ‚Schwarz war leider ausverkauft‘ prangte über der großen Wölbung. Lächelnd drehte sich Marc wie eine Bauchtänzerin. Auf seinem prallen Hinterteil war ebenfalls ein Schriftzug. „Und wie mir gefällt, was ich sehe.“ Phil konnte nicht anders und zog Marc zu sich auf das weiche Fell. „Dann bin ich aber froh.“, grinste er in seinen Armen. Sein Teufel drehte sich zu ihm und warf ihn spielerisch auf den Rücken. „Ich habe noch was vorbereitet.“, wisperte Marc verheißungsvoll. Zu Phils Bedauern stand er dafür nochmal auf.

 

***

 

Ich holte das Schälchen von der obersten Platte des Kamins herunter. Mein Engel erkannte es sofort und lächelte. Schokofondue. Das hatten wir lange nicht mehr gemacht. Phil wollte mich wieder in seine Arme ziehen. Doch ich stoppte ihn in der Bewegung. „Lass mich kurz die Früchte holen.“ Wiederwillig ließ er mich aufstehen. Ich beeilte mich und war sofort wieder bei ihm.

 

Wir neckten uns, fütterten uns gegenseitig. Die Zeit verging und draußen wurde es langsam dunkel. Die letzten Apfelspalten teilten wir uns brüderlich. Verträumt betrachtete ich meinen Engel, der auf dem Rücken neben mir lag und mich ebenfalls von der Seite ansah. „So könnte es immer sein.“, sagte er plötzlich. Ich lachte nur und wandte meinen Kopf zum Kamin. „Hör auf dir ständig Sorgen zu machen, Marcus.“ Ich versuchte zu lächeln. Betrübt setzte sich Phil auf und zog mich in seine Arme. Ich hatte schon wieder die Stimmung verdorben. Wie als könnte er Gedanken lesen schob er meinen Kopf zu sich. Lange maßen wir uns an Blicke bevor Phil die Augen schloss und mich endlich küsste. Nach zwei Wochen endlich wieder ein Tropfen Wasser in der heißen Wüste. So lange und doch so kurz, hatten wir keine Zeit mehr zu zweit verbracht. Zwar verbrachten wir viel Zeit im Clubhaus zusammen, aber das war nun mal nicht das Gleiche.

 

Mit der Zunge fuhr Phil über meine Lippen. Mein Engel war ähnlich hungrig wie ich, wenn nicht hungriger. Ich hieß ihn mit meiner eigenen Zunge willkommen. Seufzend ergab ich mich seiner Herrschaft und ließ mich nach hinten fallen. Mein Engel begrub mich förmlich mit seinem eigenen Körper. Schokobraune Augen leuchteten wie Sterne. Sterne der Lust. Im Hintergrund prasselte noch das Feuer munter weiter.

 

Phil gab mir noch einen kleinen Kuss bevor sich seine Zunge an meinem Hals entlang schlängelte. Ich seufzte wohlig und spürte seine Finger auf meiner Brust. Sie pirschten sich frech an meine Brustwarzen heran und fuhren scheinbar zufällig darüber. Genießend schloss ich die Augen. Diese Chance ließ sich Phil nicht entgehen und wagte sich tiefer. Er zupfte an meiner Boxershort als wollte er um Erlaubnis bitten. „Mach schon!“, knurrte ich verzweifelt, „Denkst du meine Beherrschung hält ewig?“ Phil lachte. „So was hast du?“ Er legte seine Hand unter meinen Rücken und hob mich kurz an. Schon war meine hübsche, pinke Boxershort weg. „Wie bist du bloß auf diese Idee gekommen?“ Ernsthaft? Mini-me machte dem Himalaya Konkurrenz und er wollte dieses Thema diskutieren? Nicht mit mir! Ich warte seit zwei beschissenen Wochen auf heute! Mit meinen Beinen umschlingend zwang ich ihn zu mir nach unten und raubte ihm gierig einen weiteren Kuss. „Wirst du übermütig?“ Provokant schaue ich in die braunen Augen. Phil grinste bevor er mich innig küsste. Ich schob meine Hände zwischen uns und löste seine Lederhose inklusive Unterwäsche. Er grinste und küsste mich sanft. Meine Hand wanderte zu seiner festen Stange und massierte sie fest. Phil stöhnte auf. Als Strafe biss er mir ins Ohr. Grinsend machte ich weiter. Unter Küsse und kleine Kniffe führte Phil seine Stange in mich ein. Er wartete kurz damit ich mich an seine Größe gewöhnen konnte. Vorsichtig bewegte er sich. Durch das längere Vorspiel war der Weg zum Höhepunkt für meinen Geschmack viel zu kurz. Nach nur ein paar Minuten kamen wir beide gleichzeitig. Schwer atmend lagen wir aufeinander.

 

„Ich liebe dich.“, wisperte Phil außer Atem. Ich lächelte ihn und wuschelte durch seine Haare. „Ich dich mehr.“ Zögernd stand Phil auf und holte eine Decke von der Coach. Er legte die Flauschdecke über mich und kroch mit unter die Decke. Wir lagen mit Rücken an Bauch aneinander. So schliefen wir ein.

 

***

 

Der nächste Morgen war wie immer. Einfach scheiße. Das empfand zumindest Phil so. Das Tageslicht schien ihm penetrant ins Gesicht. Ein warmer Körper kuschelte sich ganz nah an ihn. Er drehte sich ein wenig... und hatte sofort einen Büschel Haare im Gesicht. Sofort fing seine Nase Marcs Duft ein. Sein kleiner Teufel schlief noch tief und fest. Phillip stützte seinen Kopf und beobachtete seinen Liebsten. Marc lächelte über beiden Ohren. Es machte Phil total glücklich ihn so zu sehen. Vielleicht sollte er darüber nachdenken, was ihm wirklich wichtig ist. Er dachte noch eine Weile nach. Das Abwiegen von für und wider war verdammt schwer. In Gedanken versunken bemerkte er nicht, dass er von zwei dunklen Augen beobachtete wurde. Marc hob die Hand und streichelte über die Wange seines Engels. „Guten Morgen, mein Schatz.“, flüsterte er halblaut. Zur morgendlichen Begrüßung küsste ihn Phillip. „Dir auch einen schönen Samstagmorgen.“ „Soll ich Frühstück machen?“, erkundigte sich Marc wie selbstverständlich. Der Engel schüttelte den Kopf, suchte im Haufen ihrer Klamotten sein Smartphone. „Noch ein bisschen kuscheln?“ Des Teufels süßer Blick nicht wiederstehend, unterbrach er seine Suche und drängte sich eng an Marc.

 

Nach zehn Minuten wurde er unruhig. „Phil. Was ist los mit dir?“ Er seufzte, antwortete aber nicht sofort. „Amelie hat ihre Eltern eingeladen. Ich muss langsam gehen.“, erklärte er notgedrungen. „Und das sagst du mir jetzt erst?!“ Marc war sauer. Auch wenn Phil nicht verstand wieso. „Warum hast du das nicht gestern gesagt? Es ist bestimmt Mittag durch! Amelie wird verdammt nochmal Verdacht schöpfen und…“ „Hör sofort auf zu fluchen!“ Er bekam seinen Teufel noch zu fassen bevor er aufspringen konnte. Fest in seinen Armen war eine Flucht ausgeschlossen. „Beruhige dich, Marc. Sie weiß, dass ich mich vor ihren Eltern drücke.“ „Und dein Alibi? Ben wird kaum für dich lügen.“ „Das braucht er nicht. Bevor ich zu dir gefahren bin, war ich im Clubhaus.“ Marc war nicht zufrieden. „Wenn es hart auf hart kommt, haben wir eben die ganze Nacht durchgezockt.“ Sein Teufel grinste. „Klar. So wie früher.“ „So wie früher.“, wiederholte Phil und küsste seinen Liebsten. Eng umschlungen hockten die beiden aneinander gekuschelt. Bis ein nerviger Klingelton den Augenblick jäh zerstörte. „Das ist deine Frau, richtig?“ Bedrückt nickte Phil und kramte nach dem Unruhestifter.

 

***

 

Ich konnte es nicht fassen. Phil tat zwar sonst auch alles um seine Schwiegereltern nicht zu sehen, aber seit wann war ausgerechnet ich sein Alibi für zu spät kommen? Den Zockerabend würde uns tatsächlich jeder abkaufen. Das war dabei nicht im Geringsten der springende Punkt. „Hey, Babe.“ Bei mir zog sich etwas schmerzhaft in der Brust zusammen. Aber wie sollte er seine Frau sonst nennen. Ich konnte fast eins zu eins mithören. Ihre Eltern waren (zum Glück) schon auf dem Weg nach Hause. Phillip erzählte ihre das Märchen vom Zockerabend und von den angeblichen neuen High Source in Battlefield. Ich konnte nur den Kopf schütteln. Mit spitzen Ohren hörte ich zu. Ein kleiner Schnüffeltest bewies, dass ich dringend duschen sollte. Also hielt ich meine Hand über den Kopf und bewegte die Finger als wären sie Wassertropfen. Phil verstand, hielt mich aber am Arm fest. „Ja. – Ja, Baby. Gib uns eine halbe Stunde. – Wir haben gestern Cola ausgeschüttet und sehen dem entsprechend aus. – Danke.“ Phil legte auf. „Ich trinke keine Cola.“, knurrte ich aufgebracht. Irgendwann kennt er sich in seinem Lügendschungel nicht mehr aus. „Aber ich.“ Mit einem Kuss brachte er jedes Wiederwort zum Erliegen. „Beeilen wir uns. Amelie erwartet uns.“ Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Uns?“ „Ja. Sie hat gesagt, du sollst mitkommen.“ Er folgte ihm nach oben in die Dusche. „Und das kommt dir nicht verdächtig vor?“ Phil schüttelte den Kopf und stellte das Wasser an. „Sie will bestimmt nur das Alibi überprüfen. Bleib locken.“ Ich war nicht überzeugt. Das spiegelte sich auch in meinem Gesicht wieder. Lächelnd zog Phil mich in seine Arme. Das lauwarme Wasser der Regendusche ließ mich kurz alles vergessen. Mit geschlossenen Augen legte ich meinen Kopf auf die Schulter meines Engels. Ich hätte ewig hier stehen können. Ein sanfter Kuss streifte meine Lippen. „Wir müssen leider langsam los.“, flüstere Phil bedauernd. Genauso begeistert tastete ich nach dem Hebel und stellte das stellte das Wasser aus. Es war als ob mich jemand aus einem schönen Traum gerissen.

 

Tropfend stand ich noch unter der Dusche als Phil schon halb angezogen war. Er warf mir ein Handtuch zu, das ich geistesabwesend und gegen meine eigene Erwartung sogar fangen konnte. „Komm schon, mein paranoider Teufel. Wir müssen los.“ Ich nickte nur, trocknete mich ab und zog ein paar neue Klamotten aus dem Kleiderschrank an. Ein paar Minuten später starteten unsere Harleys und wir fuhren los.

 

Je näher wir dem Haus kamen desto mulmiger wurde mein Gefühl. Phil warf mir einen wissenden Blick zu. „Sie hält uns sicher nur einen Vortrag über Gaming-Sucht.“ Da war ich definitiv anderer Meinung.

 

Vor Phils Haus standen lediglich die beiden Fahrzeuge von ihm und seiner Frau. Ein Ford Focus RS und der aufgemotzter Nissan GTR. Ich muss hoffentlich nicht erwähnen wem welches Auto gehört. Immerhin keine Spur von Ben oder einen anderen aus dem Club


 

 

Kapitel 2 – Trennung

 

Phil sperrte die Haustür auf und schleuste mich mit rein. Im Esszimmer hockte mein Feind Nummer Eins. Mit verschränkten Armen und strengem Blick beäugte sie uns eingehend. „Ihr habt fast eine Stunde für zehn Minute Weg gebracht.“, brach sie das Schweigen. „Tut mir leid. Hätte wir vielleicht zusammen duschen sollen?“ Phillips grundloser Provokation folgte nur ein entschiedenes Kopfschütteln. Das Monster, pardon, Amelie stand auf und ging ins Wohnzimmer. Phil folgte sofort hinterher. „Schatz, komm schon…“ Ich verdrehte die Augen und ließ den beiden einen Vorsprung. Dann setzte ich meine emotionslose Miene auf und trottete hinterher.

 

Im Wohnzimmer traf mich der Schlag. Von wegen Paranoid! Ben hockte dort auf der Eckcaoch. Daneben Vizepräsident Rico und Secretary Nico. Wie die Namen fast verrieten, es sind Zwillinge. Beide um die dreißig wie wir alle.

 

Sofort versuchte ich meinen Schockzustand zu überspielen. Phil klatschte sich gerade mit den Jungs ab. Ich tat es ihm gleich. „Setzt euch.“, forderte uns Ben auf und verwies auf das kleine Sofa gegenüber. Ohne Worte setzten wir uns. Der Präsident hatte eine ausdruckslose Mine auf. Bei den Zwillingen ließ sich ebenfalls nichts erkennen. Ein Problem mit dem Club konnte es schon mal nicht sein, sonst hätte Ben seine Schwester bereits gebeten zu gehen. Bleib also nur die Sache, die ich am meisten fürchtete.

 

***

 

„Also. Was verschafft uns die Ehre?“, redete Phil los. Im Gegensatz zu Marc war er überzeugter Optimist. Ben schielte zu seiner Schwester, die wiederum ihren Mann wütend anstarrte. Phil starrte unbeeindruckt zurück. „Was?“ Ihr Blick wurde noch erboster. Dann holte Amelie kurz Luft und gab sich plötzlich als Sonnenschein. Versteh einer die Frauen. „Wo warst du gestern?“, stellte nun Ben die entscheidende Frage. „Erst war ich im Clubhaus und dann bei Marc.“ Er zeigte mit dem Finger auf seinen Sitznachbarn, der brav nickte. „Das mit dem Zockerabend zieht nicht mehr, Phillip!“ Oh, oh. Mit dem vollständigen Namen angesprochen. Amelie musste tatsächlich wütend sein. „Wo warst du wirklich?!“ Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete Phil seine Frau. Sie glauben ihm nicht? Was war denn jetzt passiert. „Er war bei mir, Amelie. Niemand außer uns war da.“, schaltete sich Marc rettend ein. „Zuhause darf ich ja nicht spielen.“, murmelte Phil und markierte das bockende Kleinkind. „Das ist nicht der springende Punkt.“ Der Road Captain sah hoch. „Was dann?“ Er klang ein wenig genervt. „Deine Frau macht sich nun mal Sorgen um dich.“, erklärte Ben als würde er mit einem Dreijährigen sprechen, „Du sagt zu ihr, du wärst im Club. Dann ruft Amelie aber mich an und fragt, wo du bleibst, aber du bist nicht da! Du kennst meine Schwester und…“ Er sah sie kurz prüfend an. „Und ihre Anfälle von Meinungsfreiheit.“, vollendete er den Satz diplomatisch. Im Klartext. Amelie hatte ihren Bruder am Telefon zu Sau gemacht.

 

„Keiner hat etwas dagegen, wenn ihr beide Zeit miteinander verbringt, aber du hättest wenigstens anrufen können.“, fuhr Ben fort. Einsehend nickte Phil. „Ich bin nicht überzeugt.“, meldete sich Amelie zu Wort. Phil seufzte. „Gut. Dann erzähl mir mal, was ich gestern al alles getrieben habe!“, fuhr er seine Frau an, „Ich bin ja offenbar zu blöd dafür!“ Amelie lächelte ihn provokant an. „Willst du das wirklich?“ Ihr Mann nickte. „Du kennst doch Steffen.“ „Den Technikfreak, ja.“, nickte Phil zustimmend. „Wusstest du, dass er Spezialaufträge anfertigt? Kleine Kameras oder Aufnahmegeräte versteckt in Alltagesgegenständen.“ Ihr siegessicheres Grinsen wurde größer und Phil… wurde leichenblass. „Was hast du getan?“, fand Marc statt seinem Engel das Wort. „Ich habe dir letztes Jahr einen verzierten Bilderrahmen mit dem aktuellen Member-Gruppenfoto geschenkt. Erinnerst du dich?“ Marc nickte. „Ich habe darin eine Micro-Kamera einbauen lassen, die pro Tag ein Bild aufnehmen kann.“

 

***

 

Mir wurde schlecht. Das besagte Geschenk stand seit ein paar Wochen im Wohnzimmer in der Fernsehwand. Mein Herz rutschte in die Hose. Auch Phil wusste genau, wo der Bilderrahmen seinen Standort hatte.

 

Was mich aber wunderte, war der irritierte Blick ihres Bruders. „Du lässt meine Jungs ausspionieren?“ „Aber nicht doch.“, winkte Amelie ab, „Nur einen.“ Sie sah mir tief in die Augen, durch meine Maske aus kalter Beherrschung.

 

„Ich kann euch gerne die Aufnahme von gestern zeigen.“, bot sie an. „Nein!“, riefen mein Engel und ich gleichzeitig. Seine Frau grinste hinterlistig. Nun hatten wir Bens volle Aufmerksamkeit. „Also war doch eine Frau da. Ich hab’s geahnt.“, murmelte er und wurde zum Schluss immer leiser. „Es war kein weibliches Wesen gegenwärtig.“, beteuerte ich wahrheitsgemäß, „Nur Phil und ich.“ Im Augenblick bemerkte ich wie Amelie auf ihrem Smartphone herum tippte. „Gib her.“ Ihr Bruder riss es ihr aus der Hand. Jetzt waren wir geliefert. Phil warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Ich lächelte ihn nur sanft an. Wer hätte wissen können, dass Amelie zu solchen Methoden greifen würde?

 

Ben starrte ein paar Minuten auf den Bildschirm bevor er das eckige Ding seiner Schwester zurückgab. Sein Blick war ernst. Sehr ernst mit einem Hauch von Wut. „Es wäre besser, wenn ihr jetzt geht.“, sagte er ruhig zu den Zwillingen. „Aber Ben…“ „Keine Wiederrede! Geht! Das klären wir familienintern.“ Die Stimme zitterte vor Wut. Die Zwillinge zogen von Dannen. Mir fiel unser Notfallplan ein. Hoffentlich hielt sich mein Engel daran. Es könnte seine Ehe retten. „Ich brauche erst einmal eine Zigarette.“ Ben stand auf und ging auf die Veranda. Nach kurzem Blickkontakt zwischen uns folgte ihm Phil.

 

„Seit wann weißt du es?“ Amelie betrachtete mich abwertend. „Immer wenn ihr euch unbeobachtet fühlt, werft ihr euch schmachtende Blicke zu!“, warf sie mir vor, „Er ist mein Mann, Marcus! Hast du überhaupt keinen Anstand?“ Was sollte ich darauf sagen? „Wie lange beobachtest du uns schon?“, stellte ich die Gegenfrage. „Lange genug! Du hast ihn verführt, du Widerling!“ Ich könnte ihr jetzt einfach wiedersprechen, aber das war gegen den Notfallplan.

 

„Reine Neugierde also.“, hörte ich Ben sagen, „Dann bring das schnell in Ordnung, Alter. Sie ist immer noch meine Schwester.“ Phil nickte eifrig. Er hatte es also getan. Notfallplan ausgeführt. Ich hatte mich davor immer gefürchtet. Aber nun war es da. Das Ende. Der Schlussstrich. Das Loch, das er hinterlassen würde.

 

„Braucht ihr mich noch?“, sagte ich eilig und stand auf. „Oh ja. Du kommst mir nicht so einfach davon.“ Ben packte mich am Arm und zerrte mich in den Garten. Ich konnte Phils Entschuldigungsgesäusel an seine Frau hören, die ihn dafür erstmal mächtig in den Boden rammte.

 

„Warum, Marc?“, fragte Ben, „Sie ist meine Schwester und er einer deiner Brüder.“ Ich zuckte nur mit den Schultern. Im Augenwinkel sah ich wie sich das Ehepaar innig küsste. Ich hätte sie am liebsten von ihm gezerrt! Feurige Eifersucht machte sich in mir breit und drohte mich zu verbrennen. „Marc! Ich warte! Wieso, verdammt nochmal, Phil?“ Wieder zuckte ich mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er war eine reizende Beute und er wollte was Neues ausprobieren.“ „Mehr nicht?“, harkte er nach. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Mehr nicht.“ Ich hörte mich reden und mein Herz zerbrach. „Hör zu. Es tut mir leid wegen Amelie. Ich wollte sie nicht verletzen.“ Ben nickte einsichtig. „Ich weiß wie anstrengend sie ist.“, gab er zu, „Sie wird darüber hinwegkommen. Aber… Ab sofort ist Schluss mit euern Fick-Abenden.“ Ich nickte brav. „Es wäre wünschenswert, wenn ihr euch in nächster Zeit nicht seht.“, schlug Ben vor. „Kein Problem. Ich verkrieche mich in die Lackiererei, dann kann nichts passieren!“ Überschwänglich klopfte ich auf seine Schulter. „Gut. Dann ist das geklärt. Eins noch.“ Jetzt wirft er mich aus dem MC, war meine Vermutung. „Das nächste Mal bitte einen Single und keiner aus dem Club.“ Verblüfft nickte ich.

 

Mit bösem Blick strafend führte mich das Monster zur Tür. „Gut, dass du es eingesehen hast.“, lobte sie mich und tätschelte meine Schulter. „Vertragt euch einfach wieder.“ Ich schnappte mein Bike und fuhr gesittet nach Hause.

 

***

 

Amelie brachte Marc siegessicher zur Tür. Phil wusste nicht, ob es richtig war ihn gehen zu lassen. Aber Marc hatte immer auf den Notfallplan gepocht. Ob er es vielleicht geahnt hatte? In nächster Zeit konnte er ihn danach nicht fragen. Seine Frau forderte, dass sie mindestens ein halbes Jahr keinen Kontakt zueinander haben durften – Clubaktivitäten ausgeschlossen. Aber dort würde Ben ein wachsames Auge auf ihn haben.

 

Es dauerte nicht lange und auch Ben verabschiedete sich. Amelie und Phil schwiegen sich an. „Wollen wir einen Film ansehen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Essen gehen.“ Kopfschütteln. Er schwieg.

 

„Wie war es?“ Fragend schaute er seine Frau an. „War er besser als ich?“ Phil schüttelten entschieden den Kopf. Die beiden konnte man nicht vergleichen. Das war als wenn man Äpfel und Birnen in einen Topf stecken wollte.

 

„Es war… anders.“, antwortete er nach kurzer Überlegung. „Inwiefern?“ „Ich kann es nicht beschreiben.“, seufzte er und zuckte mit den Schultern, „Mit dir ist es zärtlich und sanft. Bei Marc war es rau und wild.“ Er dachte an letzte Nacht. Was würde er dafür geben, jetzt bei Marc zu sein…

 

„Ich kann auch wild sein.“, murmelte Amelie und setzte sich provokant auf seinen Schoß. „Babe. Ich will…“ „Ja?“ Entschlossen schob er seine Frau von seinem Schoß. Er wollte jetzt einfach allein sein. Im Garten setzte er sich vor den Schuppen um eine zu Rauchen. Er hoffte auf Regen. Doch es war Frühjahr und der Wetterbericht war ebenfalls gegen ihn.

 

Am Abend schlich er sich ins Gästezimmer. Natürlich wurde sein Fehlen bemerkt. „Was bereust du gerade?“, fragte sie ohne Umwege. „Alles.“, antwortet Phil, „Ich hätte dich nicht betrügen dürfen. Marc hätte ich gleich in die Wüste schicken sollen. Aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen.“ Amelie strich ihm über den Kopf. „Das weiß ich, mein Schatz.“ Sie strich ihm über den Kopf. „Ich möchte heute hier schlafen. Ich habe es nicht verdient neben dir zu schlafen.“ „Wie du möchtest, Liebling.“ Amelie küsste ihn auf den Mund und verschwand.

 

Seufzend wühlte sich Phil durch den Papierhaufen. Er arbeitete im Büro von Bens Werkstatt. Der heutige Tag war für die Bikes aller fünfzehn Member und der drei Prospekts reserviert. Es war die Gelegenheit nach drei Monaten endlich wieder einen Blick auf seinen Teufel zu werfen. Nur war der bis jetzt nicht aufgetaucht. „Wie viele fehlen noch?“, erkundigte sich Nico. „Nur Marc. Alle anderen waren bereits da.“ Der Secretary rümpfe die Nase und machte auf dem Absatz kehrt. Phil sah durchs Fenster, dass Nico mit Ben diskutiert. Schließlich gab er sich geschlagen.

 

Zwei Minuten später stand Ben im Büro. „Hast du was von Marc gehört?“ Er schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. „Meine Frau verbietet mir noch den Kontakt. Sie hat sich eben erst damit abgefunden und es gibt kaum noch Streit deswegen.“ „Verstehe schon. Ich werde später bei Marc vorbei schauen. Soll ich was ausrichten?“ Phil schüttelte den Kopf. Zu mehr war er nicht im Stande. Ben spürte den Emotionswandel und verließ lautlos das Büro.

 

Seit Wochen freute sich Phillip auf diesen Tag. Bei den letzten Club-Events hatte sich Marc schon nicht blicken lassen. Wollte sein Teufel ihn einfach nur nicht sehen oder war für ihn der Notfallplan noch aktiv? Fragen über Fragen. Keiner konnte sie beantworten. Er räumte den Auftragsordner an seinen Platz. Während der PC runterfuhr goss er noch seine Zimmerpflanze. Kaum einer wusste, dass Marc ihm diese geschenkt hatte. Natürlich heimlich. Es war ihr erster Jahrestag gewesen, den zweiten hatte sie nur knapp verpasst. Sein Blick striff noch einmal sein Büro. Dann knipste er das Licht aus und machte sich auf den Heimweg.

 

***

 

Es klopfte an der Lackierkabine. Ben winkte mir zu. Ich zeigte eine volle Hand, denn ich brauchte noch fünf Minuten für die Motorhaube. Mit der feinen Airbrush zeichnete ich die Konturen der Meerjungfrau nach, die sich eine Kundin eingebildet hatte.

 

Ich brachte drei Minuten länger als geplant. Vielleicht habe ich mir absichtlich Zeit gelassen. Wer weiß? Ben betrachtete die Lady mit Muscheln als BH und Schwanzflosse. „Hast du den ganzen Tag daran gearbeitet?“ Ich schaute ihn gereizt an. „Habe ich irgendwas mega wichtiges verpasst?“ „Die jährliche Inspektion?“ Desinteressiert zuckte ich mit den Schultern. Meine arme Harley stand seit Monaten abgedeckt in der Garage. Das hatte sie natürlich nicht verdient. Aber wenn ich sie nur da hinten stehen sehe, war sofort der Scherz zurück. Dazu kam, dass Phil und Amelie sich groß und breit in der Öffentlichkeit versöhnt hatten. Das war gleichzeitig die letzte Fete des Rats MC, auf der ich aufgetaucht war.

 

„Was muss ich tun, damit ihr mich alle in Frieden lassen?“, sprach ich meinen Gedanken laut aus. Überrascht sah mich Ben an. „Was ist eigentlich los mit dir? Ich mache mir Sorgen, weil du dich kaum noch irgendwo blicken lässt und du schnauzt mich hier an!“ Ich drehte den Kopf weg. „Ich muss noch was fertig lackieren.“ Sofort wurde ich am Arm festgehalten. „Rede mit mir.“, bot Ben an. „Es gibt nichts zu reden.“ Er zog mich näher zu sich. „War da mehr zwischen euch?“, flüsterte er mir ins Ohr. „Es ist so oder so vorbei.“ Ich riss mich los und mischte die neue Farbe zusammen. Ben stellte sich ungefragt neben mich. „Hättest du irgendeinen Typen abgeschleppt, wäre das überhaupt kein Problem gewesen.“, fing er an. Ich ignorierte ihn und mischte weiter. „Er hat heute gewartet.“, sagte Ben plötzlich, „Es war nicht zu übersehen. Dieser freudestrahlende Blick und die herbe Enttäuschung, wenn jemand anderes auf dem Bike saß.“ Ich zog mir die Atemmaske über und verschwand in der zweiten Kabine.

 

Die erste Farbschicht konnte sich sehen lassen. Ich trat gedankenverloren nach draußen und erschrak. Ben war noch immer hier. Er flirtete ausgelassen mit meiner Schwester Sam. Tut mir ja echt leid, dass sie morgen bereits nach New York flog. Was für ein Jammer!

 

„Was ist los mit ihm?“ Sam zuckte mit den Schultern. Das war wohl eine Familienangewohnheit. „Er ist so seit ich von meiner letzten Dienstreise zurück bin. Wenn Marc reden will, dann sagte er es mir.“, erklärte sie und schlürfte ihren Kaffee. „Es gibt nichts zu reden!“, fauchte ich gereizt, „Warte. Doch. Ich steige beim Rats MC aus!“ Geschockt sahen mich die beiden an. „Ist das dien Ernst?“ „Dir musste das doch recht sein! Keiner mehr, der deinen Schwager belästigt und du musst dir keine Sorgen mehr machen. Zwei Scheißhausfliegen mit einer Klappe.“ „Marc… Überleg dir das bitte gut.“, bat mich meine kleine Schwester. „Ich habe es mir überlegt. Drei Monate lang!“, erklärte ich, „Es ist ohnehin für alle das Beste.“ Schnell verließ ich die Lackwerkstatt. Sie stand auf unserem Grundstück, unweit der Garagen und dem Wohnhaus. Ich knallte die Schlafzimmertür zu und rutschte an ihr hinunter. Wieso machten es mir alle so schwer? Ich wollte nur in Ruhe gelassen werden. Niemand konnte die tausend Teile meines Herzens zusammen suchen. Außer einer. Doch er war unerreichbar. Ich wollte niemanden böse Absichten unterstellen, aber Hilfe war in meinem Fall kontra produktiv.

 

Alle Sachen vom Rats MC packte ich in einen Sack, den ich Ben aushändigte. „Bist du sicher?“ „Ich bin.“ Mehr sagte ich nicht mehr und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. „Das war nicht sehr höflich.“ „Ich bin nicht höflich!“, schnauzte ich sie an. Dabei konnte sie am wenigstens etwas dafür.

 

Ich schloss mich das ganze Wochenende über im Schlafzimmer ein. Ich wollte niemanden sehen, hören oder gar reden. Sam hatte sich durch die Tür verabschiedete und war zum Flughafen gefahren. Am Sonntagabend klingelte mein Smartphone. Den Ton hatte ich lange nicht mehr gehört. „Jayden!“, grüßte ich meinen besten Freund. „Hey du deutsches Ei.“ So nannte er mich seit ich damals umziehen musste. „Alter. Entsperr‘ mal deinen Bildschirm.“, sagte er durchs Mikrofon. Stimmt ja. Das war schließlich ein Videoanruf. „Man siehst du scheiße aus.“, war der erste Kommentar, „Sammy sagte schon, dass was nicht stimmt.“ Ich sagte nichts. Jayd hatte immer den besten Draht zu mir gehabt und daran wird sich nie was ändern.

 

„Was hältst du von einem Tapetenwechsel?“, stellte Jayd die Frage in den Raum. „Mir fehlen gute Leute und ich weiß, wie gut du bist.“ Unentschlossen zuckte ich mit den Schultern. „Du musst deinen Laden ja nicht dicht machen. Schreib einfach Betriebsferien draußen ran.“ Ich musste ehrlich lachen. „Ey man! Das war mein Ernst!“ Ich nickte lachend. „Ich würde sofort ja sagen, aber ich habe noch offene Aufträge, die ich zu Ende machen will. Ich melde mich, wenn’s soweit ist.“ „Klar, Bruder, versteh ich voll und ganz!“ Jaydens schwarze Dreadlocks nickten mit. Im Hintergrund hörte man jemanden zum Essen rufen. „Yoh man. Ich muss Schluss machen.“ „Bye.“ Dann leuchtete das Display in seinen Hintergrundfarben. Ich hatte ein Standardbild gewählt, damit es mich einfach an nichts erinnerte.

 

Traurig rappelte ich mich auf. Je schneller die Aufträge erledigt waren, desto schneller konnte der mehrwöchige oder monatige Betriebsurlaubkommen. Der Tapetenwechsel war sicherlich keine schlechte Idee.

 

***

 

Gestresst kam Amelie nach Hause. Phil hatte bereits ihr Lieblingsessen gekocht. „Lecker! Jägerschnitzel!“ Er rang sich ein lächeln für sie ab. Wieder war ein Monat verstrichen. Wieder kein Lebenszeichen von Marcus. Morgen würden sie sich zwangsläufig sehen. Die Jahresversammlung Mitte des Jahres war für jeden Member Pflicht.

 

„Über was denkst du nach?“ „Willst du morgen mit zur Versammlung?“ „Nein, nicht mein Bier.“ „Ok.“ Das war die Gelegenheit mit Marc zu sprechen. Vor allem sich auszusprechen. Vielleicht sich sogar versöhnen. An diesem Abend ging er mit einem breiten Grinsen ins Bett. Alles würde wieder gut werden!

 

Voller Vorfreude erreichte er als einer der Ersten das Clubhaus. Ben und Rico gingen ein paar Dokumente durch. Nico lehnte an der hauseigenen Bar und flirtete mit einer der knapp bekleideten Kellnerinnen. Als Ben seinen Schwager sichtete winkte er ihn sofort zu sich. „Alles gut bei dir? Du siehst so fröhlich aus.“, grinste Ben. „Alles OK. Bin wieder auf voller Höhe.“, bestätigte er. Bens Grinsen erstarb und wurde erst. „Setz dich bitte.“ Phil folgte aufs Wort. „Wir wollten es dir vorher sagen bevor du aus allen Wolken fällst.“ Ben setzte sich zu ihm an den Tisch. Er legte seinem Schwager eines der Dokumente vor. Es war Marcus Steckbrief, wie es von jedem der Jungs einen gab. Er ging die Zeilen durch. Privater Status: Single. Das war schon mal gut. Auch die anderen Stichpunkte wiesen keine Besonderheiten oder Veränderungen auf. Bis er auf ‚Status MC‘ stieß. In roten Lettern stand dort ‚LEFT‘. „Was?“ Phil wurde kreidebleich im Gesicht. „Es war seine Entscheidung. Ich konnte ihn leider nicht überreden zu bleiben.“, bedauerte Ben ehrlich, „Er wird hier sehr fehlen.“ „Wie auch seine Sprüh- und Lackierkünste.“, warf Rico ein. „Wie meinst du das?“ Phillip begann zu zittern. „Er nimmt keine Aufträge mehr an. Offiziell ist bald Betriebsurlaub.“ „Kurz gesagt: Wir denken, Marcus verpisst sich. Wenn du noch etwas mit ihm klären willst, tu es bald.“ „Ich muss kurz…“ Er stemmte sich vom Tisch hoch. Zitternd ging er in Richtung Tür. Das war einfach zu viel auf einmal. Er hatte geglaubt, dass diese schreckliche Odyssee endlich enden würde. Stolpernd schaute er hoch. Er hatte nicht bemerkt, dass er dort unten rumstarrte. Die Tür war unendlich weit weg. Sein Blickfeld verengte sich zu einem Tunnel. Mit jedem Schritt wurde es dunkler.

 

Phil wurde in einem Nebenraum wach. Verwirrt sah er sich um. Er war allein. In seiner Armbeuge entdeckte er eine Infusionsnadel inklusive Schlauch und Infusionsbeutel. Irritiert betrachtete er die Utensilien an. Neben ihm öffnete und schloss sich die Tür. „Wie geht es dir?“ Er erkannte Bens Stimme. „Geht so. Was ist passiert?“ „Du bist einfach umgekippt. Amelie ist unterwegs. Sie wird dich abholen.“ Phil legte seinen Arm über die Augen. Wie peinlich! Nicht nur, dass er umgekippt war, jetzt holte ihn auch noch seine Frau hier ab.

 

Eine Stunde später hockte er am Küchentisch. Eine Tasse dampfenden Kaffee zwischen seinen Händen und dazu deprimierende Stimmung. „Rede mit mir.“, forderte Amelie. „Es gibt nichts zu reden. Ich habe nur zu wenig getrunken oder gegessen. Keine Ahnung.“ Phil schüttelte ohne nachzudenken den heißen Kaffee runter. „Verdammt!“ „Hier.“ Amelie hielt ihm ein Glas Wasser unter die Nase. Das Wasser kühlte seine Speiseröhre auf Normaltemperatur.